Sie hockte zitternd in einer Ecke ihres Käfigs. Ihre Augen traten hervor, misstrauisch, voller Angst, und sie warf sich panisch vor und zurück und suchte nach einem anderen Ort, um sich zu verstecken, obgleich sie doch wusste, dass sie in der Falle saß. Während sie sich noch weiter in die Ecke drängte und noch tiefer in ihrem Elend versank, fragte ich mich, wie sie jedes der 20 Jahre, jeden der 7.300 Tage überlebt hatte, den Körper immer wieder verlagernd in dem vergeblichen Bemühen, den gnadenlosen Gitterstäben zu entkommen, die sie bis auf die Knochen verletzten.

So oft wird sie aus einem unruhigen Schlaf erwacht sein, wenn Menschen laut in ihrer Nähe sprachen, ein Betäubungsgewehr aus einer Tasche zogen, um eine Nadel in ihre empfindlichen Muskeln zu jagen, und sie dann mit Seilen fesselten. Und sie wird halb bewusst mitbekommen haben, wie der Mann versuchte, mit der langen Nadel ihre Gallenblase zu finden, sie wird immer wieder Schmerz gespürt haben, wenn er die Organe drum herum traf, bis er endlich den Beutel mit flüssigem Gold fand und die Galle mit einer mechanischen Pumpe aus ihr heraussaugte.

Heute sprach der Mensch vor ihr sehr sanft und hielt einen langen Löffel in der Hand, mit einem großen Klacks Erdbeermarmelade. Ihre Nase begann zu zucken, und die hervortretenden Augen richteten sich auf die Leckerei, während sie ganz langsam eine Pfote neben die andere setzte und sich vorsichtig in Richtung Marmelade bewegte.

Ein Löffel voll nach dem anderen wanderte in ihr dankbares Maul, und wenn etwas Marmelade hinunterfiel auf die Gitterstäbe, dann rieb sie ihren Kopf in der klebrigen Masse, wie eine Katze sich in Katzenminze wälzt, niemals zuvor hatte sie etwas so Gutes gerochen oder gegessen.

Ich glaube, sie war die erste Bärin, die einen Namen erhielt. Wir hatten eine Liste mit sieben Namen dabei, die alle für wunderschöne Lotusblüten standen, einen für jeden der Bären in den Farmkäfigen. Clear Moon, Perry, Lavender, Carolina, King, Scarlet - und Cherry (Kirsche) – ein passender Name für diese Bärin mit den kirschgroßen Augen.

Von ihrem Käfig aus, der in der Ecke des Schuppens stand, hatte sie einen guten Blick auf all die anderen Bären dort, und diagonal gegenüber war ein gutaussehender, majestätischer männlicher Bär eingesperrt, der dann schon bald den Namen King erhielt. Wie konnten die beiden ahnen, dass sie sich in nur wenigen Stunden in einer völlig anderen Welt wiederfinden würden.

Doch erst einmal mussten wir Cherry, King und fünf andere Bären in die Transportkäfige locken und von der Farm wegbringen. Drei von ihnen, Clear Moon, Perry und Scarlet, mussten für den Käfigwechsel betäubt werden, denn die Käfige passten nicht gut zusammen, doch vier konnten mit Hilfe von etwa einer halben Tonne dieser leckeren Erdbeermarmelade dazu bewegt werden, in ihre Rettungskäfige überzuwechseln.

Um 17:00 Uhr verließen wir die jetzt leere Bärenfarm, nachdem wir uns bei der Waldschutzbehörde Hanoi für die Beschlagnahme von 350 Flaschen Bärengalle bedankt hatten, die der Farmer im Juni den Bären abgezapft hatte, und dafür, dass jetzt auch die Bären beschlagnahmt worden waren. Und wir schüttelten dem Farmer die Hand, eine Geste, die manchen Menschen vielleicht seltsam erscheinen mag in Anbetracht des Leids, das die Bären erduldet hatten. 

Doch damit brachten wir ihm und den anderen Farmern gegenüber zum Ausdruck, dass wir sie nicht verurteilen oder in Verlegenheit bringen würden, wenn wir ihre Bären holten, und auf diese Weise förderten wir eine Bewegung der Freundlichkeit, damit immer mehr Bären von den Farmen entlassen werden.

Um dieses Werk beenden zu können, müssen wir dringend um die lebenswichtigen Spenden bitten, die nötig sind, um das letzte Rettungszentrum in Vietnam zu bauen, in dem die noch verbliebenen 300+ Bären unterkommen sollen. Und wenn wir in der kommenden Woche zusammen mit hochrangigen Vertretern der Regierung und unseren lieben Botschaftern für das Vereinigte Königreich, den Schauspielern und Freunden Peter Egan und Lesley Nicol, eine feierliche Spatenstichzeremonie veranstalten, dann wird die Botschaft ganz klar lauten, dass mit Fertigstellung des Rettungszentrums Bären wie Cherry und King im ganzen Land umso schneller gerettet und alle Farmen geschlossen werden können.

Meine Dankbarkeit gilt unserem hervorragenden Rettungsteam und unserer Familie von Animals Asia weltweit. Die Vorbereitungszeit war mit zwei Tagen sehr kurz, doch alles lief auf Hochtouren und die Aktion ist gelungen. An der Spitze unserer Bemühungen in Vietnam steht ein Mann, der uns furchtlos voranschreitet, Dr. Tuan Bendixsen, und er wird wahrscheinlich bei diesen Worten so rot werden wie die Socken, die er trägt. Doch es sei wiederholt, er hat uns und die Bären mit Stolz erfüllt, und wir haben jetzt sieben dankbare Empfänger von gesunder, leckerer Nahrung, kühlenden Duschen und Medikamenten zur Schmerzlinderung.

Nachdem alle sieben Lotusblüten-Bären in Sicherheit sind und sich in der Quarantäne eingewöhnt haben, scheinen ihre Augen, ihre Gesichter und ihre übel zugerichteten Körper zu leuchten, erfüllt von der unausgesprochenen Entschlossenheit von Tieren, die eine Reise in ein neues Leben antreten, eine Reise der Genesung und des Glücks für den Rest ihrer Tage. Rissige und ausgetrocknete Pfoten halten jetzt vorsichtig Äpfel, während die schadhaften Zähne zerkauen, was nie gekannten Genuss verschafft. Und niemals wieder wird das Scheppern einer Futterschale bedeuten, dass das Grauen und der Schmerz einer Galleextraktion bevorstehen.

King und Cherry sitzen jetzt Nase an Nase in ihren geräumigen Genesungskäfigen, sie unterhalten sich den ganzen Tag über mit Klacklauten, und wir möchten Ihnen danken und Ihnen unsere tiefe Verbundenheit versichern, weil Sie uns zur Seite stehen, weil Sie uns helfen und, bitte, weil Sie tief in die Tasche greifen, bis kein Bär mehr zurückgeblieben ist.

Wie immer in unendlicher Verbundenheit und Liebe, Jill x