Als übernatürlich stark und mutig wurde er beschrieben, der mythische Herkules. In der griechischen und römischen Geschichte verehrte man ihn und zählte ihn zu den Göttern. Heute Morgen nun standen wir unserem eigenen mutigen Herkules gegenüber, der uns vorsichtig aus seinem Käfig heraus anblinzelte.  

Ein raues, schönes Gesicht, wunderschöne braune Augen und tellergroße Pfoten: Ein Bär, der einfach keine Ahnung hatte, dass er in Vietnam in die Geschichte eingegangen ist.

Herkules ist noch nicht zehn Jahre alt, doch hat er sein ganzes Leben eingesperrt, einsam und ausgebeutet auf zwei verschiedenen Gallefarmen in Quang Ninh verbracht, seit er als traumatisierter Welpe, der wahrscheinlich mit angesehen hatte, wie seine Mutter abgeschlachtet wurde, gefangen genommen worden war.

Jetzt stürzt sich Herkules mit gutem Appetit auf seinen Spätnachmittagsimbiss, nachdem er gerade in unserer Rettungsstation in Tam Dao angekommen ist. Der Umzug aus seinem alten Käfig in unseren großen Transportkäfig heute Morgen verlief glatt, ebenso die Heimreise. Glücklich, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, konnte er vom Lastwagen aus zuschauen, wie die Landschaft vorüberglitt.

Innerhalb weniger kurzer Stunden genoss er einen Spätnachmittagsimbiss, bestehend aus Mangos, Pampelmuse und Drachenfrucht, und die wahrscheinlich erste kühlende Dusche seines Lebens.

Wir haben uns von einigen freundlichen Beamten in Quang Ninh verabschiedet, die uns dieses Jahr großartig bei unseren Rettungen unterstützt haben und sich ganz offensichtlich freuen, bekanntgeben zu können, dass ihre Provinz jetzt frei von Bärenfarmen ist.

Und doch werde ich nie die Bären vergessen, die wir auf dem Weg verloren haben, seit ich mich Tuan, unserem Direktor für Vietnam, auf seinen Reisen angeschlossen hatte: Es waren herzzerreißende Besuche der Gallefarmen dieser Provinz, als wir im Jahre 2007 unsere Recherchen begannen. Bären wie Batty Kay mit ihrem eigentümlichen „Fledermausgesicht“ würden wir, wenn wie sie je wiedersähen, sofort erkennen. Und auch andere, die von den Farmern nicht herausgegeben worden waren und die weiter hatten dulden müssen, dass ihnen ihre Galle abgeleitet wurde, bis ihre Körper nicht mehr mitmachten und sie eines Todes starben, der gewiss überaus schmerzhaft und elend gewesen ist. Es gibt keine Worte für die Trauer, sie niemals wiederzusehen.

Aber heute richtet sich Herkules zur Nacht in seiner Quarantäne ein und lauscht dem leisen Atmen der Bären ringsum, die in den letzten Wochen gerettet worden sind, und damit ist dieser Tag bahnbrechend im wahrsten Sinne des Wortes. Tuan hat, in einfühlsamer Zusammenarbeit mit der Regierung, einen unermüdlichen Kampf geführt, sodass wir einen weiteren Schritt in Richtung auf das Ziel, dem Gallehandel in Vietnam ein Ende zu machen, feiern können.

Unendliche Anerkennung und Dank dem heutigen Team, das unseren letzten Bären nach Hause gebracht hat – Weng, Tuan BTS, Lisa, The, Ngoc und Tien (geleitet von der Direktorin unseres Bären- und Tierarztteams Annemarie, die leider nicht teilnehmen konnte, da sie das Team auf der Konferenz für Fortgeschrittene Bärenpflege in Hanoi vertritt, aber von dort aus anfeuernde Grüße schickte).

Nun also gute Nacht von Herkules, der seinen Namen wahrlich, nach einer Herkulesreise des gesamten Teams von Animals Asia und Unterstützern überall auf der Welt in den letzten acht Jahren, verdient hat.

Wir danken Euch allen für den Abschluss dieses Kapitels der Bärenfarmen in der Provinz Quang Ninh und für das beste aller Leben, das Herkules und seine Freunde genießen können.

Übersetzung ins Deutsche: Inga Bening (Freiwillige Mitarbeiterin)