8. Mai 2015, 14:45
Was für ein goldener Abend, an dem wir während des Sonnenuntergangs durch die Halong Bay trieben. Der wunderbare Blick über das Meer war so unwirklich schön, dass wir uns in den Arm kneifen mussten, um sicherzustellen, dass wir nicht träumten. Wir glitten vorbei an den natürlichen Kalksteinformationen, die sich hier überall aus dem Wasser türmen, während in den abendlichen Winden über uns Möwen elegant ihre Runden zogen. Wir nahmen all diese Eindrücke auf, während wir dabei waren zwei weitere gerettete Farmbären nach Hause zu bringen.
Unser Kreuzfahrtschiff war in Wirklichkeit ein gemieteter Fischerkahn, aber nichts hätte besser geeignet sein können, unsere anspruchsvolle Aufgabe zu meistern und uns einen befriedigenden Tag zu bereiten. Das kleine Schiff konnte mit bis zu zehn Tonnen beladen werden und es war robust genug, es mit den Bären Sam und Simon aufzunehmen, die jetzt friedlich in ihren neuen Rettungskäfigen schliefen.
Sam hob immer mal wieder ihren Kopf, sah nach rechts und nach links und rümpfte ihre Nase, während sie die saubere, salzige Luft schnüffelte. Simon war noch ziemlich erledigt, er wurde als zweiter untersucht, aber er schien vollständig entspannt und ließ sich von den Wellen sanft in den Schlaf schaukeln.
Bis heute Morgen noch, waren die beiden die letzten Bären der Insel Ba Mun, wo sie seit September 2011 in einem Käfig in einem dunklen, stinkenden Raum verbringen mussten. Ursprünglich wurden sie 2005 als Welpen beschlagnahmt und dem örtlichen 'Forest Protection Department' überantwortet, das in Planung war, auf der Insel ein Rettungszentrum aufzubauen. Wie auch immer, seit die Bären auf der Insel waren, kam es mit dem Rettungszentrum nicht voran und die beiden lebten in den Käfigen, bis schließlich die Genehmigung kam, sie befreien zu können.
Durch die weltweite Empörung über die Situation der Halong-Bären, sah der Premierminister sich zu der Entscheidung veranlasst, alle Bären der Provinz Quang Ninh retten zu lassen und in unsere Obhut zu übergeben. Und jetzt, mit der Hilfe und Unterstützung des Quang-Ninh-FPD, dem Ba-Tu-Long-Nationalpark und Mitarbeitern der Rettungsstation, konnten die Bären endlich darauf vorbereitet werden, aus der Dunkelheit entlassen zu werden.
Wir kamen am späten Montagnachmittag in Van Don an, sahen den blauen Himmel und den Sonnenschein als gutes Omen und freuten uns auf die Rettung, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Nach einem schnellen Abendessen machten wir uns schon früh für die Nacht fertig, doch die meisten von uns wachten wenige Stunden später wegen Blitz und Donner und wolkenbruchartigem Regen wieder auf, der bis in den Morgen anhielt. Um 8 Uhr war der Himmel noch verhangen, der Strom fiel in der Straße aus, das bedeutete für unsere Rettung nichts Gutes. Dann kam über den Hafenmeister noch die Meldung, dass die Hafenverwaltung derzeit niemanden auslaufen ließ.
Es wird wohl der Bärengott gewesen sein, der sich an diesem Tag gnädig zeigte, denn innerhalb von ein paar Stunden klärte sich das Wetter auf und wir waren unterwegs nach Ba Mun zu den Bären Sam und Simon. Beide Bären wurden nach jemandem benannt, den wir leider nie kennenlernen durften. Der amerikanische Tierfreund und Philanthrop, Sam Simon, half uns großzügig bei unserer Kampagne. Sam und ich haben E-Mails ausgetauscht und wir unterhielten uns auch während seiner Radiosendung, zusammen mit Mikko, unserem langjährigen Freund und Unterstützer. Dann vereinbarten wir ein Treffen, um uns nur ein paar Wochen später in den USA zu sehen. Doch nur wenige Tage bevor ich in Los Angeles ankam, starb Sam Simon auf tragische Weise.
Wenn wir jetzt auf Sam und Simon schauen, ist es schwierig sich nicht von Emotionen überwältigen zu lassen, sehen wir doch in ihren gebrochenen Körpern das Erbe vieler Jahre der Bärengalleindustrie. Sam – der es körperlich zumindest nicht zu schlecht ging – war etwas stereotyp und schwang, in bitterer Frustration wegen der vielen Jahre in einem Käfig, hin und her.
Simon allerdings war ein Trauerspiel – ich glaube alle haben innerlich geheult, wie wir ihn so da sahen und Zeuge davon wurden, zu welchen undenkbaren Schmerzen es führt, über so viele Jahre eingesperrt zu sein. Joost, unser Tierarzt, war sicher, dass Simon neurologische Probleme hat, denn er stolperte ungeschickt in seinem Käfig herum und fiel oft hilflos auf den Boden, weil er seine Füße nicht koordinieren konnte. Seine linke Vorderpfote hing wie gelähmt an seiner Seite herab, er hatte vom Liegen auf den blanken Metallstangen offene Druckgeschwüre auf dem Rücken und sein linkes Auge hatte sichtbare Schäden.
Auch bei Simons Untersuchung verstummten alle wieder, als das Ausmaß der Schäden an den Zähnen erkennbar wurde. Nach Joosts Angaben hingen einige der Backenzähne nur noch wie an einem Faden, das zurückgebildete Zahnfleisch, die verfaulten Zahnwurzeln, überall der Gestank von Krankheit und Verwesung. Joost entfernte vorsichtig einige der schlimmsten Zähne, sodass Simon nach dem Aufwachen aus der Narkose weniger Schmerzen im Maul hat. Überlange Klauen wurden gestutzt, es wurde Blut abgenommen und viele Notizen wurden in Vorbereitung eines baldigen vollständigen Gesundheitschecks gemacht. Simon wurde dann zu Sam hinausgetragen und wachte auf dem Boot dann langsam auf.
Das Tragen selbst war eine der schwierigsten Sachen bei der Rettung. Um nämlich zum Boot zu gelangen, mussten die Helfer die schlafenden Bären in Planen tragen und eine unglaublich steile Betontreppe herabbugsieren, die fast schon senkrecht ins Meer fiel. Meine Sorgen waren unbegründet, alle hatten offenbar Kletterunterricht bei Bergziegen genossen und brachten Sam und Simon sicher, flink und fachmännisch in die bereitgestellten Rettungskäfige auf dem Boot.
Die Fahrt zurück war einfach magisch – eine Szenerie wie diese hatten wir noch nie erlebt. Auf dem Weg von einer Bärenfarm nach Hause, legten wir nach ein paar Stunden schließlich im Hafen an.
Das Herz schlug uns bis in den Hals, als wir unserem erfahrenen Bärenteam, das von Dao Chau Tuan angeführt wurde und dem Kranführer dabei zusahen, wie sie beide Käfige hochhoben und auf einen wartenden Lastwagen hievten. Auf den Bildern sieht man die Silhouetten der Käfige hoch im Himmel, ich glaube niemand von uns nahm einen Atemzug bis die Bären wieder auf festem Grund standen.
Der Rest der Reise, am nächsten Morgen zurück nach Tam Dao, verlief ereignislos, wenn man mal davon absieht, dass wir unseren Senior-Content-Manager, Douglas, auf dem Vorplatz des Hotels zurückließen, von wo aus er Bilder des abfahrenden Konvois machen wollte. Wir schickten einen Wagen zurück, um ihn doch mitzunehmen!
Zurück, im Rettungszentrum in Tam Dao, gab es eine wunderbare Begrüßung für unsere neuen Familienmitglieder. Annemarie, die Direktorin des Bären- und Veterinärteams, und ihr Team, warteten mit einem bunten Früchtebuffet für Sam und Simon, damit sie eine Willkommensmahlzeit genießen konnten.
Der letzte Teil der Reise bestand aus derart vielen bärigen Umarmungen, dass sich unser sonst so furchtloser Direktor in Vietnam, Tuan Bendixsen, nur so wand. Tuan hat zur Freilassung der Bären der Halong Bay, eine wirklich unglaubliche Kampagne geleitet und ist, genau wie bei der Kampagne "Stop the Eviction" in der Vergangenheit, niemals von seinem Pfad gewichen. Aufgrund der Entscheidung des Premierministers, arbeitet er jetzt an der Befreiung von 36 Bären der ganzen Provinz und Tuan kann in der Gewissheit, dass sie bald zu Hause sind, hoffentlich ruhiger schlafen.
Nebenbei, manche werden sich an Rupert, mit der Hirnverletzung in China erinnern (leider starb er 2010) und sie werden wissen, was ich damit meine, wenn ich sage, dass mir Simon etwas "Rupertig" vorkommt. So, wie wir Rupert helfen konnten, hoffen wir auch Simon helfen zu können, zu genesen und ein gutes Leben führen zu können. Wenn seine Lust auf die Mahlzeiten ein Anzeichen dafür ist, was noch so kommt, dann macht er sich prächtig und wir sind auf dem richtigen Weg. Er und Sam lieben auch endlose Ablenkung mit Spielzeugen und Bananenblättern – und natürlich unsere grenzenlos liebevolle Pflege.
Unendlicher Dank an DAS beste Team in Vietnam: Tuan B, Joost, Julie, Weng, Dao Chau Tuan, Toan, Trinh, Ngoc, The, Douglas, Fotograf Peter Yuen bei der Rettung — und Steve, der die Bilder und Aktualisierungen hochgeladen hat - und Mr. Vinh und die drei angeheuerten Fahrer, die ihre Passagiere sicher nach Hause brachten. An Annemarie und alle in Tam Dao, die alles vorbereitet und uns begrüßt haben und noch viel mehr taten – Danke euch allen dafür, dass ihr diese Bären aus der Hölle gerettet habt.
An die Unterstützer und Freunde, die unaufhörlich die tollsten Nachrichten auf Facebook und Twitter hinterließen – vielen, vielen Dank von uns allen. Wir haben an den Abenden erschöpft aber lächelnd alles gelesen, mit Dankbarkeit für eure Treue und endloser Aufmunterung während des ganzen Trips.
Und um diese Rettung abzuschließen: Das verrostete Vorhängeschloss, dass wir von Simons Käfig entfernten – eine Erinnerung daran, dass unsere Aufgabe erst erfüllt ist, wenn jeder Bär frei ist.
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