12. Mai 2014, 14:45
Er leckte eine Hand, das rettete ihm das Leben. Gail, unser Gründungsmitglied und damalige tierärztliche Direktorin, ging zusammen mit mir auf den berüchtigten Tiermarkt in Guangzhou in Südchina. An einem denkwürdigen Tag im März 2001, nach schrecklichen Stunden und vielen Fotos von eingesperrten und verschreckten „Fleischhunden“ entschlossen wir uns, einen zu retten.
Ich streichelte die Schnauze einer schwarzen Hündin die eindeutig Staupe hatte, Schleim floss ihr aus der Nase. Die vernünftige Gail führte mich weg von dieser armen Seele, die diesen Tag nicht überstanden hätte, geschweige denn eine Quarantäne und zeigte mir einen struppigen Hund, der wie ein Terrier aussah und den ich beim ersten Anblick ins Herz schloss.
Rund herum bellten und schrien Hunde, denn sie kannten ihr Schicksal. Doch offenbar hatte dieser Hund etwas anderes vor, denn er lag einfach ruhig da und leckte die Hand von Gail und mir, immer wenn wir ihn streichelten. Nach einigen Diskussionen mit dem Händler gehörte der Hund uns und er wurde ohne Rücksicht zu nehmen am Nackenfell aus seinem Käfig gezerrt. Ich entriss ihn dem Mann und wir verließen den Markt zusammen mit dem Hund, der das größte Glück der Welt hatte.
Während wir die Papiere besorgten, um ihn nach Hongkong zu bringen, war der sicherste Platz für ihn das allererste Rettungszentrum für Bären, das wir Mitte der 90er Jahre nahe beim Fährhafen von Pan Yu gebaut hatten. Als wir mit dem Auto dort ankamen trafen wir ein paar Besucher, die die Bären sehen wollten und die voller Begeisterung um uns herum standen, um einen Hund zu sehen, der dem Kochtopf entgangen und lebend dem Markt entkommen war. Ruth, eine unserer wunderbaren Unterstützerinnen, hat einen besonderen Sinn für Humor. Das zeigte sich als sie vorschlug, den Hund einfach Eddie zu nennen – weil es so klingt wie essbar. Trotz des schwarzen Humors passte der Name zu ihm und nach Überwindung vieler bürokratischer Hindernisse und einer monatelangen Quarantäne in Hongkong durfte ich Eddie endlich in seiner neuen Familie willkommen heißen.
Eddie mit seiner Freundin Ka-yee
Schnell gewöhnte Eddie sich ein, trotz seiner kleinen Statur war er bald der Rudelführer - alles musste ihm gehorchen. Wenn Eddie einen seiner Tricks zeigte, rollten wir in gespielter Verzweiflung oft die Augen. Einer seiner Lieblingstricks war es, ohne Grund zu bellen – das machte die anderen acht Hunde verrückt die auch begannen unisono zu bellen während Eddie, höchst zufrieden mit dem angerichteten Chao, verschwand. Damals war Big, ein geretteter Neufundländer, der wahrlich sechsmal so groß war wie er, sein bester Freund. Die beiden waren unzertrennlich und Big wartete geduldig bis Eddie all die Leckerbissen verzehrt hat ohne sich zu beklagen, dass sein kleiner Kamerad mit der großen Attitüde alle Anteile der anderen gestohlen hat.
Dr. Eddie bei einem Besuch als Dr. Hund
Wegen seiner Herkunft von einem Markt und seiner Rolle in unserer Kampagne „Freunde… oder Fraß“ wurde Eddie auch schnell unser Botschafter für Dr. Hund – tatsächlich war er aber der schlimmste Hundedoktor der Welt. Bei jedem Besuch in einem Krankenhaus hob er entweder das Bein bei den Topfpflanzen, die zur Aufmunterung der Patienten da standen oder er blieb stur sitzen ohne nachzugeben, um das einzigartige Therapieprogramm mit Tieren zu demonstrieren, das wir dem verwirrten Klinikpersonal zugesagt hatten. Er war ein Meister im ausbüxen und hätte Houdini vor Scham erbleichen lassen, er konnte sich aus dem engsten Halsband oder Geschirr herauswinden, um zu den Türen zu laufen wenn er der Meinung war, dass es für heute genug sei mit Bewunderung. Seine Verachtung dafür, sich wie unsere anderen wunderbaren Dr. Hunde zu verhalten brachten ihm von Marnie, Cassy und unserem sehr toleranten Team von Dr. Hund den Spitznamen „König Eddie“ ein.
Anneliese nahm ihn an einem unvergesslichen Tag einmal mit zu einer Schule. Sie war damals unsere Direktorin für Öffentlichkeitsarbeit und Gründerin von Professor Pfote und ist noch heute in unserem Aufsichtsrat. Sie kam stolz auf die Bühne, um einer gespannt lauschenden jungen Zuhörerschaft von etwa 1.000 Kindern einen echten, lebenden, vierbeinigen Botschafter vorzustellen. Diese lärmten und wollten alles über unsere Programme zur Hilfe von Hunden und Katzen wissen. Wie zu erwarten, hatte Eddie andere Ideen. Anstatt zu folgen und sich einem Publikum potentieller Fürsprecher für Tiere gegenüber freundlich zu zeigen, ging Eddie hinaus um erstmals einen – was man nur als großen braunen Pfannkuchen bezeichnen kann – auf der Bühne zu parken. Anneliese war qualvoll und peinlich berührt und die Kinder zeigten eine morbide Freude und rümpften die Nasen und schrien „igitt!“. Laut Anneliese sagten sie später ihren Lehrern dass dies die beste Vorstellung gewesen sei, die sie je gesehen hatten. Trotz dieses dubiosen Ausflugs blieb Eddie unser geliebtes Maskottchen unserer Freunde…oder Fraß Kampagne.
Maskottchen Eddie beim bei einem Professor Pfote Spendenevent in Shenzhen
Eddie lebte noch dreizehn Jahre und wir gingen gemeinsam auf Veranstaltungen von Dr. Hund, wo er viele Streicheleinheiten „erleiden“ musste als Gegengabe für alles Essbare, das er in den Taschen der Menschen erschnüffeln konnte. Mit den Jahren wurde er immer runder und Eddie wurde schließlich als das „Quadrat“ bekannt und mit einem Teetisch verglichen. Jede Diät, die Spaziergänge, das Schimpfen, wenn er wieder das Katzenfutter (und schlimmeres) gefressen hat, Eddies Form änderte sich nicht und ich musste mich daran gewöhnen einen molligen und sehr selbstbestimmten Hund zu haben.
Als Unterstützer der Kampagne „Adoptiere ein Hongkong Original – einen Hund, so einzigartig wie Du!“ des SPCA (Ali Bullock)
Doch wie sehr hatte ich ihn lieb. Bei jedem nachhause kommen begrüßte mich Eddie, der zur Tür „rollte“ und meine anderen Hunde fern hielt (darunter in den letzten Jahren zwei riesige gerettete Pyrenäenhunde) und für die nächsten paar Stunden Aufmerksamkeit erwartete. Nie wieder kann ich die Stufen hinabsteigen ohne ihn da sitzen zu sehen – seine Mission im Leben war es wohl mich über ihn stürzen zu sehen. Denn alle Tage rannte er nur Zentimeter vor mir her und drängte mich von jeder Stufe.
Wenn ich ihn ins Büro in Hongkong brachte rannte er freudig auf dem Teppich umher und suchte nach Resten in den Körben, saß eng bei den Mitarbeitern, um ihr Pausenbrot zu schnappen oder er war in der Küche wo er sicher sein konnte, ab und zu etwas abzubekommen.
Diese Woche hörte Eddie zu fressen auf. Einfach so und schnell – die Alarmglocken schrillten denn ich wusste, das bedeutet schlimmes und ich brachte ihn zum Tierarzt. Gail ist auch heute noch meine Tierärztin, gemeinsam mit ihren wunderbaren Kollegen Dr. Seems und Dr. Tiger (dessen Tochter Caly vor vielen Jahren auf diesem Foto mit Eddie zu sehen ist). Sie überbrachten mir die Nachricht, dass Eddie an zahlreichen Problemen leide und eindeutig dabei ist, den Kampf ums Leben zu verlieren.
Dr. Seems war am Ende mit dabei und in den Armen von Freunden wie Melody, Henry und mir, mit hunderten Küssen von meiner Nichte Nicole, schlief Eddie friedlich ein.
Der leere Platz am Boden und in meinem Herzen ist größer als ich beschreiben kann. Eddie und ich teilten gemeinsam Schmerz und Freude und sein beiges Fell hat mehr Tränen aufgesogen als ich jemals gestehen werde.
Eddie, ich vermisse dich und möchte diesen Blogeintrag einfach beschließen mit meinem von tiefstem Herzen kommenden Dank für die Jahre der Freude und Freundschaft und wie Du in Deiner einzigartigen und individuellen Weise mitgeholfen hast eine Bewegung hier in Asien zu gründen und zu unterstützen, die ohne wenn und aber zeigt, warum Hunde unsere Freunde und nicht unsere Nahrung sind.
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